Die ganze Nacht über hatte ich auf einem Campingplatz in Östersund gegen einen Baum gelehnt dagestanden und auf das Zelt meines Fahrers geschaut. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht die schweren Radtaschen von meinem Gepäckträger zu hiefen. Auf dem gestrigen Teilstück hatte er mir immer wieder versichert in Östersund einen Ruhetag einzulegen. Schon vor zwei Tagen war mir aufgefallen, dass sein Tritt nicht mehr rund war. Das linke Bein trat wesentlich mehr als das rechte und ich hörte übr mir immer wieder Laute des Schmerzes. Wie dem auch sei, auch ich hatte eine Pause mehr als nötig. Und so stand ich da und beobachtete wie der Campingplatz an jenem Morgen nach und nach erwachte. Die ersten Frühaufsteher schlappten mit Handtuch und Kulturbeutel bewaffnet Richtung Sanitäranlagen. Andere brausenmit ihren Fahrrädern oder Motorrollern auf dem staubigen, mit Wurzeln durchsetzten Weg an mir vorbei, um kurze Zeit später mit dicken Tüten an den Lenkern in entgegengesetzter Richtung ihrer Behausungen zu fahren. Manch einer wiederum packt all sein Hab und Gut um den Platz bald darrauf zu verlassen.
Gegen 7:30 Uhr, tut sich dann auch etwas am Zelt meines Fahrers. Der Reisverschluss des Zelteingangs wird nach unten gezippt und mit an lächerlichkeit kaum zu überbietenden, ungelenken Bewegungen zwängt sich mein Fahrer aus seiner kleinen Unterkunft. Pfeifend kommt er auf mich zu, nästelt irgendetwas aus den Radtaschen und verschwindet. 3 Stunden stehe ich untätig herum, bis er wieder auftaucht. Abermals wird an den Taschen genästelt und zum vorschein kommen Trikot und Radhose. “Moment mal, heute ist Ruhetag”. Er ignorirt mich, zieht sich um und schwingt sich auf meinen Sattel. Gemächlich verlassen wir die Stadt in nördliche Richtung. Gleich hinter dem Ortsschild wartet auch schon die erste heftige Steigung auf uns. Als hätte er in den vergangenen Tagen keinrlei Probleme gehabt, geht mein Fahrer aus dem Sattel und jagt in einem, an Lance Armstrong erinnernden, nähmaschienenartigen Wiegetritt die Anhöhe hinauf. Zur Besinnung kommt mein Fahrer erst wieder als ich ordentlich das Tretlager knacken lasse. Zuviele meiner Artgenossen hat er auf diese Weise schon zu Grunde gerichtet und dieser “knackige Hinweis” lässt ihn seine Fahreie überdenken und schleunigst wieder anpassen. Trotzallem bewegen wir uns weiterhin in zügigem Tempo übet das Asphaltband. Wir fahren durch eine sehr einsame Landschaft der Nacht die niemals dunkel wird entgegen. Das Profil der Strecke hat sich in der Zwischenzeit beruhigt und ist meist flach.langsam verschwindet die Sonne und macht einem gigantischem Vollmond platz. Urplötzlich bekommt mein Fahrer wiedrr eine seiner merkwürdigen Anwandlungen. Er löst in voller Fahrt die Hände vom Lenker, reckt die Arme in die Höhe und brüllt mehrmalig “Ist das Geil!” In die Einsamkeit der Wälder hinein. Nach 150 Kilometern vrrlassen wir die Strasse und bieguen nach Links zum Ufr eines wunderschönen Sees ab. Dort verbringen wir, umgeben von Mückenschwärmen, eine ruhige Nacht.
So long, euer Fritz