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Seemannsgarn

Gegen Mittag komme ich los. Der Plan fuer den heutigen Tag ist, bis zum Eingang des Nordkapptunnelen zu fahren, dort zu nächtigen, am nächsten Morgen das Gepäck am Zelt zurueckzulassen und die letzten 60 Kilometer nur mit dem Nötigsten zu bewältigen. Ich komme gut voran an diesem Tag. Zuerst erklettere ich eine 5 Kilometer lange, 7% steile Rampe, bevor es dann lange Zeit ueber ein karges Hochplateau geht. Die letzten Kilometer vor Olderfjord, dem Ort in welchem ich nach links auf die E69 Richtung Nordkap abbiege, gehen dann gemässigt bergab. Nun fuehrt mich mein Weg direkt am Meer entlang.

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Das Wetter ist schön und ich halte häufig um Bilder zu machen. Bei einem dieser Stops komme ich mit einem ruestigen Rentner ins Gespräch. Er ist pensionierter Seemann, stammt aus Alta und hat ein Ferienhaus hier oben. Als er erfährt, dass ich aus Deutschland komme, gerät er ins Schwärmen und erzählt von seiner Zeit in den deutschen Häfen. Als er das Seemannsheim in Bremerhaven erwähnt werde ich hellhörig, habe ich doch einige Jahre zuvor an einem dokumentarischen Theaterprojekt ueber das ehemalige Seemannsheim in Bremerhaven mitgewirkt. Ein paar gezielte Fragen später steht fest: Es ist genau jenes ehemalige Seemansheim welches ich vor einigen Jahren bespielt habe. 1964, so erinnert er sich sei er das letzte mal dort gewesen.

Völlig perplex setze ich meinen Weg fort. Zwei entgegenkommende Reiseradler warnen mich davor zum Nordkap hinaufzufahren, es wäre die Hölle. Windgeschwindigkeiten bis 80 Kmh und Schlagregen. Zudem sehr kalt. Ich kann es kaum glauben, haben wir doch, vielleicht 60 Kilometer vom Kap entfernt, einen locker bewölkten Himmel, einen leichten Wind und milde Temperaturen. Ich erwiedere, dass ich heute ohnehin nicht bis zum Nordkap wolle und bedanke mich fuer alle weiteren Tips und Ratschläge, welche mir die Beiden noch mit auf den Weg geben. Gegen 22 Uhr erreiche ich das Suedportal des Nordkapptunnelen. Schnell finde ich einen geeigneten Platz fuer mein Zelt und ebenso schnell in einen erholsamen Schlaf. Exakt 181 kilometer habe ich heute erradelt. Morgen ist es dann soweit, mein grosses Ziel wartet darauf erobert zu werden…

71Grad 10′ 16″

Fest entschlossen mache ich mich um 10 Uhr auf den Weg zum Nordkapp. Das Wetter ist bedeckt und windig. Nach wenigen Metern habe ich den Eingang des Nordkapptunnelen erreicht und stuerze mich auf einer 9% Abfahrt in die Tiefe. Ueber 3 Kilometer lang geht es in rasender Fahrt abwärts, bis 200 Meter unter den Meeresspiegel. Danach wartet ein 10% Anstieg der ebenso lang wie die Abfahrt ist und einen wieder ans Tageslicht fuehrt.

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Ich bin froh darueber, mein gesamtes Gepäck am Zelt gelassen zu haben und bringe den Tunnel schnell hinter mich. Ein weiterer Tunnel von 4,5 Kilometer längefolgt, bevor ich Honningsvåg erreiche. Ein Schild informiert mich darueber, dass es jetzt noch 31 Kilometer bis zum nördlichsten Punkt von Europa sind. Gleich dahinter beginnt ein knackiger Anstieg. der Wind nimmt zu und mit jedem Meter, den ich nach oben klettere wird das Wetter schlechter. regen und immer dichter werdender Nebel ziehen auf. Die Temperaturfällt merklich. Ich hole einen anderen Radfahrer ein und wir sind unds einig darueber, dass dies hier Krieg ist. es ist unfassbar, wie sich auf wenigen Kilometern das Wetter derart verschlechtern kann. Es folgt ein einziges Auf und Ab durch eine dicke Nebelsuppe mit Schlagregen und unvorstellbaren Windgeschwindigkeiten. Mit teilweise 6 Kmh bewege ich mich vorwärts. Kommt der Wind mal von hinten, wird es schnell. Mein Tacho wird später eine Höchstgeschwindigkeit von 73 Kmh anzeigen. Besonders heftig ist es, kommt der Wind von der Seite. Mann muss sich derart gegen den Wind lehnen, dass ich manchmal das Gefuehl habe mit dem Lenker den Boden zu beruehren. Teilweise habe ich Angst, dass mir der Wind die Laufräder komplett vom Asphalt zieht. Mitunter ist die Sicht durch den nebel so beeinträchtigt, dass ich ein mulmiges Gefuehl habe, wenn ich Autos oder Busse hinter mir höre.

 

Plötzlich, wie aus dem Nichts taucht ein Schild aus der Nebelsuppe auf: Noch 500 Meter bis zum Parkplatz des Nordkaps. Grusslos fahre ich an dem Kassenhäuschen vorbei, an dem alle mitMotorisierten Fahrzeugen löhnen muessen. Ich lasse die Nordkapphallen links liegen und fahre direkt auf das Felsplateau, wo ich einen dick verpackten Touristen bitte, ein Foto von mir vor dem eisernen Globus zu machen.

 

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Danach blicke ich auf den Gesamtkilometerstand meines Tachos: 4029 Kilometer habe ich von meinem Start in Mayen bei Koblenz bis zum Nordkap zurueckgelegt. An dieser Stelle möchte ich nochmals kurz daran erinnern, dass es diesen Blog aus einem bestimmten Grund gibt. Ich möchte, wie unter dem Menuepunkt “Der gute Zweck” nachzulesen ist, mit meinen Berichten Menschen helfen, die nicht in solch glueckliche Umstände hineingeboren wurden wie die meisten von uns. Dieser Blog bedeutet fuer mich eine Menge Arbeit und es wuerde mich ungemein freuen, sollten beduerftige Menschen davon Profitieren können. Also ueberlegt, was euch die bisher erradelten 4029 Kilometer sowie meine Berichte Wert sind. Nichtsdestotrotz, wird meine Reise nicht an diesem unwirtlichen Ort Ihr Ende finden.Durchnässt und verfroren betrete ich die Nordkapphallen. Hier herschen angenehme Wohnzimmertemperaturen und die Touristen drängen sich hinter den Scheiben und schauen hinaus in die Nebelsuppe. Hier brummt der Konsum, billiger Souvenier-Tand wird zu Wucherpreisen an den Touristen verkauft. Hinter einem Tresen an dem man sich fuer eine horrende Summe ein “Norkappzertifikat” ausstellen lassen kann, hat sich eine lange Schlange gebildet. Ungläubig schaue ich dem Treiben eine Weile zu, bevor ich mich dazu ueberwinde wieder durch die Hölle zu gehen und den Rueckweg anzutreten. Das Wetter hat sich ein wenig beruhigt und gut 2 stunden später erreiche ich Honningsväg. Hier kaufe ich von meinen Letzten norwegische Kronen nochmal ordentlich ein. Der Proviant muss bis zur finnischen Grenze reichen, ich möchte nicht nochmals Geld holen muessen. Ein weiteres Mal durchfahre ich die langen steilen Röhren und bin wenig später zurueck am Zelt. Fuer eine Stunde lege ich mich hin, um neue Kräfte zu sammeln, Doch bereits kurz vor Mitternacht sitze ich wieder auf meinem “Alten Fritz”.

Tom Sawyer und der fromme Priester

Blos weg hier! Das ist der einzige Gedanke den ich habe, als ich wieder an meinem Zelt angekomme. Ich ruhe kurz, packe in Windeseile meine Sachen und fahre wie ein Besessener die E69 in Richtung Olderfjord zurueck. immernoch ist es leicht am regnen und der Wind blässt nach wie vor recht heftig.Am fruehen Morgen erreiche ich Olderfjord. Der Wind hat sich gelegt und der Himmel ist aufgerissen. Vor einer Bar setze ich mich in die Sonne und mache eine kurze Pause. Viel Proviant habe ich nicht mehr und ich muss gut haushalten. Weiter geht es in Richtung Lakselv. Wie in Trance arbeite ich mich kilometer um Kilometer nach Sueden. Am Mittag mache ich nochmals eine kurze rast in Lakselv, bevor ich mich auf das letzte Teilstueck meiner heutigen Etappe, mit dem Ziel Karasjok mache. Ausgehungert hoffe ich an jenem Sonntagnachmittag einen geöffneten Supermarkt in Karasjok zu finden, in dem ich meine letzten 60 Kronen verbraten kann. Der Supermarkt ist schnell gefunden, jedoch nicht geöffnet. Vor einem Kiosk direkt neben dem Supermarkt lungert ein junger Kerl und trinkt einen Kaffe. Er war mir, aufgrund seiner positiven Ausstrahlung und offensichtlichen Zufriedenheit direkt aufgefallen. “Everything is closed today” flötet er fröhlich in meine Richtung. Wir kommen schnell ins Gespräch und er erzählt mir, dass er aus der Nähe von Muenchen kommt und seit gut einem Monat hier in Karasjok lebt. Was ihn hier ans Ende der Welt verschlagen hat, möchte ich von ihm wissen. “Keine Ahnung, ich wusste einfach, dass ich hier hin muss”. In Deutschland hatte er sich nicht mehr wohlgefuehlt und war einfach aufgebrochen. Ich bewundere ihn fuer seinen Mut und sage ihm das auch direkt. Er heisst Noel, ist 24 jahre alt und hat sich in deutschland mit allerlei Jobs ueber Wasser gehalten. die vergangenen 3 Wochen hat er nun auf dem campingplatz in Karasjok gearbeitet und dafuer Kost und Logie erhalten. Nun haben sie dort keine Arbeit mehr fuer Ihn und er schläft im Freien, unten am Fluss wie er mir erzählt. Im Dorf ist er schon bekannt und er bekommt gelegentlich Handwerkerjobs angeboten. Während wir so dastehen und miteinander plaudern, zieht ein Gewitter auf. Irgenwie verlangt es mir nach einem warmen trockenen Raum und einer deftigen Mahlzeit. Als hätte Noel meine Gedanken erraten, ist er von einem Moment auf den anderen davon ueberzeugt mich zum Essen einladen zu muessen. Er hätte vor ein paar Tagen einen Priester hier im Ort kennengelernt welchen er nun um ein wenig Geld bitten wuerde. Morgen habe er wieder einen seiner Gelegenheitsjobs, dann könne er seine Schulden  direkt wieder begleichen. Er verschwindet und ich bleibe verwundert ueber diesen besonderen Menschen zurueck. Keine Viertelstunde später, taucht Noel gut gelaunt wieder auf. Wir gehen in das einzige restaurant am Platz und verdruecken Beide einen Burger. Währendessen erzählt mir Noel, dass der Priester ihm ein Appartement in seinem Haus angeboten habe und dieser sicherlich nichts dagegen hätte, wenn ich ebenfalls dort nächtigen wuerde. “Ein Geschenk des Himmels” denke ich und kurze Zeit später machen wir uns zum Haus des Priesters auf. Dort angekommen, lege ich mich nur noch auf die Couch und falle in einen Komatösen Schlaf. Sage und schreibe 337 Kilometer habe ich am Stueck bewältigt.

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Finnland!

Am Morgen dusche ich ersteinmal ausgiebig und wir fruehstuecken Bohnen und Eier, welche uns der Priester bereitgestellt hat. Kurze Zeit später kommt der Priester von einem morgentlichen Termin zurueck und ich kann mich in aller Form bei Ihm bedanken. Er freut sich ungemein, dass er mir helfen kann und stellt sich mir als Morten vor. Er ist vielleicht mitte 30 und eine Seele von einem Mensch. So, wie ein Priester eben sein sollte. Als er von meinem Projekt erfährt und das ich damit beduerftigen Kindern helfen wuerde ist er ganz aus dem Häuschen. Er wirft sogleich den Herd an und kocht uns ein fuerstliches Mahl, mit Ruehrei, Buletten und Spinat. “I feed You, and You feed the Children in India. That’s cool!” stellt er fest.

Noel, Morten and me

Noel, Morten and me

Ich bin ungemein ergriffen von der Herzlichkeit, die dieser Mensch ausstrahlt und schwinge mich, vollgetankt mit neuer Energie auf meinen Fritz. Nur 20 Kilometer sind es bis zur Grenze sagen mir die Beiden, als wir uns verabschieden. Wenig später ist diese ueberschritten und Norwegen ist Geschichte. An diesem Tag fahre ich noch bis kurz hinter Inari, wo ich an einem wunderschönen See mein Zelt aufschlage. Nur 135 Kilometer stehen auf meinem Tacho, gluecklich bin ich trotzdem!

Im Herzen Lapplands

Am Morgen fahre ich nach einem ausgiebigen Frühstück ins 30 Kilometer entfernte Ivalo. Dort erledige ich einige wichtige Dinge und arbeite in der örtlichen Bibliothek an meinem Blog. Es ist schon sehr spät, als ich meinen Weg fortsetze und so kommen an diesem Tag nur 104 Kilometer zusammen. An einer kleinen Hütte entschließe ich mich für ein paar Stunden zu ruhen, bevor ich am nächsten Tag ein etwas größeres Teilstück in Angriff nehmen möchte.

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Long Road to Rovaniemi

Klettertauglich?

Klettertauglich?

Gerade einmal drei Stunden habe ich geruht. Gejukt hat es in den Beinen und so sitze ich nun schon wieder auf meinem Fritz und setze meinen Weg fort. Es geht mir gut und ich komme schnell voran. Die Eintönigkeit der finnischen Landschaft, vor der ich des Öfteren gewarnt worden war, ist für mich kein Problem. Auch das es hier exorbitant viele Mücken gibt kann ich nicht feststellen.

Gegen 9:30 Uhr erreiche ich Sodankylä. Hier kaufe ich ein und begebe mich zum Lunch in ein kleines Restaurant. Selten habe ich so gut gegessen: Salat in allen Variationen, Erbsen, Salzkartoffeln, Suppe und eine köstliche Nachspeise. Von alldem soviel man möchte, und das Ganze für einen sprichwörtlich läppischen Preis von 10,80€. Mit vollem Magen mache ich mich wieder auf den Weg. Viel spektakuläres gibt es nicht zu berichten, aus den nordfinnischen Wäldern. Aus Langeweile und Fresslußt, kehre ich schon nach weiteren 60 Kilometern wieder ein und verdrücke einen leckeren Pfannkuchen. Die letzten 40 Kilometer nach Rovaniemi, lege ich gemeinsam mit Rene aus Berlin zurück. Er ist ebenfalls am Nordkapp gewesen, und kann ähnlich dramatisches von seinem Nordkappbesuch berichten, wie ich es bereits tat. Er erzählt mir, man habe ihm gesagt, dass wir besonders heftige Tage erwischt hatten. In Rovaniemi beschließe ich auf dem Campingplatz zu übernachten. Dieser ist wunderschön gelegen , aber leider maßlos überteuert. Wäsche waschen 8€, W-Lan 5€. Vom Übernachtungspreis mal ganz zu schweigen. Egal, 228 Kilometer stehen auf dem Tacho, da gönnt man sich so etwas einfach mal…..

 

Schotter und Regen auf all meinen Wegen

Der starke Regen der am Morgen auf meine Zeltplane prasselt lässt mich nicht länger schlafen. Trotzdem bleibe ich liegen um abzuwarten, dass der Regen sich zumindest abschwächt. Doch nichts dergleichen. Es regnet beständig, es regnet heftig. Irgendwann zwinge ich mich dann doch nach draußen um mir in der Küche des Campingplatzes etwas zu Essen zu machen. Erst gegen 15 Uhr lässt der Regen nach und ich habe kaum noch Hoffnung, Oulu, mein heutiges Tagesziel noch zu erreichen. Gut 220 Kilometer liegen zwischen Rovaniemi und Oulu. Die Strassen sind noch sehr nass als ich dann loskomme, der Regen jedoch hat sich verzogen, vorerst! Ich wähle kleine Nebenstrassen, da ich bei dieser Witterung keine Lust auf die E 75 habe, die über Kiemi nach Oulu führt. Nach 70 Kilometern dann plötzlich Schotter. Und als wäre dies alleine nicht genug, gesellt sich auch wieder ein wenig Regen dazu. Dies ergiebt dann in der Summe eine 1A Schlammschlacht. Weit und breit ist hier nichts. Wald, Schotterstrasse, Sumpf und alle 10 Kilometer ein paar verstreute Häuser im Wald. Halte ich an um zu lauschen, ist da nichts. Einzig die Regentropfen auf meiner Kapuze erzeugen hier draußen ein Geräusch und versichern mir, dass ich noch immer von Materie umgeben bin.

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Irgendwann lässt der Regen nach, der Schotter allerdings bleibt. Für insgesamt 40 Kilometer. Es fängt schon an zu dämmern, als ich wieder auf die E 75 stosse. 80 Kilometer sind es noch bis Oulu 140 liegen erst hinter mir. Ich atme einmal tief durch und setze meinen Weg fort. Es sind lange 80 Kilometer und so ist es schon tiefe Nacht als ich wenige Kilometer vor Oulu mein Zelt aufschlage. Meine Willensleistung an diesem Tag beträgt 216 Kilometer.

Hydration 2.0

Lange hatte ich nicht geschlafen, zu groß ist der Drang weiterzufahren. Doch bevor ich mich in das nächste Teilstück stürze, suche mich mir in Oulu einen guten Lunch. Um 10:30 Uhr am Morgen esse ich Salat, eine monströse Pizza Margeritha, eine Portion Eis und trinke Orangensaft. Pervers, aber gut. Nachvollziehen lässt sich dies glaube ich nur von Denjenigen, die selber schon mehrtägige Touren gefahren sind. Absolut übersättigt mache ich mich an mein Tagewerk. Die ersten Kilometer sind eine reine Qual. Meine “Leiden” rücken erst in den Hintergrund, als ich vor mir einen Rennradfahrer erblicke. Mit der Hoffnung mich ein paar Kilometer in dessenWindschatten auszuruhen gebe ich Druck aufs Pedal. Nach wenigen Minuten habe ich ihn eingeholt und hänge mich hinter ihn. Mir fällt auf, dass er ein Canyon Rennrad fährt und ich fahre neben ihn um ihm zu sagen, dass sein Edelbike aus meiner Heimatstadt stammt. Ich kann einfach nicht anders. Sofort entwickelt sich ein nettes Gespräch und Olli, der in Oulu lebt und mit dem Rad auf dem Weg zu seinen Schwiegereltern ist, erzählt mir stolz, dass er in wenigen Tagen Vater wird. 60 Kilometer legen wir gemeinsam zurück und die Zeit vergeht wie im Flug. Kurz nachdem wir uns voneinander verabschiedet haben, bemetke ich dicke Gewitterwolken, die direkt in meine Richtung ziehen. Im letzen Augenblick kann ich mich noch unter eine Birke retten bevor das Unwetter losbricht. Für ganze 10 Minuten bietet mir der kleine Baum Schutz, dann wird der Regen so stark, dass es keinen Unterschied mehr macht, ob ich nun unter einem Baum Stehe oder nicht. Als ich anfange zu frieren, beschließe ich weiterzufahren. Trotz Wolkenbruchs, starkem Gegenwind und zuckenden Blitzen. Ich trete in die Pedale wie ein Besessener. Innerhalb weniger Minuten sind selbst meine durch Überschuhe geschützten Radschuhe durchweicht. 10 Kilometer später ist der Spuk vorbei. Es dämmert und Nebel steigt auf. Durchnässt beende ich den Tag nach 178 Kilometern. Die kommenden Tage sollen heiß werden, ließ Olli zum Abschied noch verlauten. Ich hoffe er behält Recht!

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Der isst ja wohl total Banane!

Wirklich ein seltsamer Kautz mein Fahrer. Die Nacht verbringen wir auf einem einsamen Rastplatz, auf welchem ein seltsames, offenes, zweistöckiges Gebäude steht, unter dessen Dach Kirchenglocken aus Deutschland ausgestellt werden. Ich werde unten an eine der Glocken gelehnt, während mein Fahrer es sich ein Stockwerk höher gemütlich macht.

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Lange jedoch ruht er nicht und schon nach wenigen Stunden tritt er wieder in meine geschundenen Pedale. Da seine Radschuhe durch den gestrigen Regen immer noch durchweicht sind, müssen meine Pedale allerdings mit ganz gewöhnlichen Sportschuhen vorlieb nehmen, was ein zügiges Vorankommen vorerst verhindert. Bereits nach 50 Kilometern machen wir unsere erste Pause. Obwohl es noch sehr früh ist, hat die Sonne schon gewaltig Kraft. Mein Fahrer nutzt dies, stellt die durchweichten Radschuhe in die Sonne und verschwindet in dem Supermarkt an dem wir gehalten haben. Zurück kommt er mit einem riesigen Bund Bananen, drei davon werden auf der Stelle verdrückt, der Rest wandert in meine Taschen. Unglaublich, welche Menge dieser gelbbeschalten Früchte auf dieser Tour bereits dem Hunger meines Fahrers zum Opfer gefallen sind. Am Ende der Pause scheinen die Radschuhe getrocknet zu sein, jedenfalls zieht mein Fahrer sie an und von nun an geht die Reise zügiger von statten. Kilometer um Kilometer spulen wir herunter. Nur einmal halten wir, damit mein Fahrer seine Gier auf Eis befriedigen kann. Irgendwann wird es dunkel und ich merke wie mein Fahrer nervös wird. Wir befinden uns auf einer großen, viel befahrenen Strasse und seit vielen Kilometern bietet sich beiderseits des Weges keine Möglichkeit sein Zelt aufzuschlagen, da nur Dickicht vorhanden. Nach einer gefühlten Ewigkeit, steuern wir in einen Waldweg abseits der Strasse, ich werde an einen Strommasten gelehnt, während es sich mein Fahrer in seinem Zelt bequem macht. Mir ist das egal,  Hauptsache meinen armen Reifen wird eine Pause gegönnt. 235 Kilometer sind schon ganz schön übertrieben. Findet ihr nicht auch?

Viele Grüße aus dem dunklen Wald, Euer Fritz

 

K(r)ampftag

Ich bin mir sicher, ich werde beobachtet. Da ist jemand. Ich öffne den Zelteingang und blicke direkt in die Augen eines Schlittenhundes. Er steht ruhig da und schaut mich einfach an. Ein wenig mulmig ist mir schon und ich fluche innerlich, dass ich mein Pfefferspray nicht zur Hand habe. Schon auf der Insel Rügen war mir dieses verloren gegangen. Grade als ich den Zelteingang wieder schließen will, ertönt ein harsches Kommando und der Hund verzieht sich. Ein dicklicher Mann mit einer Zeitung unter dem Arm kommt den Waldweg entlang geschlappt und schaut herüber. Er brummelt noch irgendetwas in Richtung seines Hundes und verschwindet im Dickicht. “Wo zum Teufel geht der hin?” denke ich bei mir. Am Vorabend war ich, ob der hereinbrechenden Nacht, in höchster Not von der vielbefahrenen E75 in diesen kleinen Waldweg eingebogen, an dessen Rand ich notdürftig mein Zelt aufgeschlagen hatte. Es ist noch sehr früh am Morgen und ich beschließe direkt aufzubrechen. Der Verkehr an diesem Sonntagmorgen ist enorm, dennoch bleibe ich in Ermangelung einer attraktiven Alternative auf diesem Höllenband. Es ist wirklich kein Spaß hier zu fahren, im Sekundentakt rauschen Autos und Lastwagen an mir vorbei und belästigen mich mit Abgase und Lärm, zudem ist die Landschaft sterbendslangweilig, eintönig und öde. Ich entwickele einen regelrechten Hass auf diese Strasse und so taufe ich sie in meiner Wut auf den Namen “THEBIGFUCKINGBORINGSTREET”. Schon nach 30 Kilometern brauche ich meine erste Pause. Auf einem supermodernen Rasthof trinke ich einen Kaffe, esse einen Muffin und muss anschliessend meinen gesamten Willen mobilisieren um wieder aufs Rad zu steigen. Wenigstens das Wetter ist gut. Weitere 40 Kilometer muss ich mich von der BFBS belästigen lassen, bevor ich in Heinola auf eine kleinere, parallel verlaufende Strasse wechseln kann. Bis kurz vor Helsinki möchte ich heute fahren, damit ich morgen noch die Stadt besichtigen kann, bevor um 17:30 meine Fähre nach Deutschland ablegt. Ich komme durch Lahti, den, durch seine Skisprungschanzen, weltbekannten Wintersportort, welcher davon abgesehen der BFBS allerdings durchaus Konkurrenz machen kann.

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Weiter trägt mich mein Wille, jetzt sind es nur noch knappe 100 Kilometer bis nach Helsinki. In Jervenpää, ca. 30 Kilometer vor den Toren Helsinkis möchte ich auf einem Campingplatz meine letzte Nacht in Finnland verbringen. Zu meinem Glück zeigt mir ein rennradelnder Finne den Weg, zu diesem, schön an einem See gelegenen Campingplatz. Ausgeschildert war dieser nämlich nicht. Mag sein, dass dies auch der Grund dafür ist, warum außer mir nur eine deutsche Familie und ein niederländisches Paar die Nacht auf diesem Platz verbringt . Froh, diesen harten, 207 Kilometer langen Tag hinter mich gebracht zu haben und mit Vorfreude auf Helsinki schlafe ich ein.